Reisebericht

Argentinische Isolierungen - Lesen Sie einen Reisebericht über eine etwas andere Schiffsisolierung:

Reisebericht Argentinische Isolierungen Sie beklopften und streichelten die Armaflexisolierung. Die Rohrleitungen wurden mit einem doppelten Armaflexschutzanstrich versehen. Unsere argentinischen Isolierkollegen arbeiteten mit 50mm allukaschierten Steinwollschalen. Ich baute Schneidetische auf. Überzeugende argentinische Isolierkünste. Sämtliche Rohrleitungen waren dermaßen vereist, dass einzelne Leitungen nicht mehr auszumachen waren. 3 der 5 Männer die uns von der Bsatzung zugeteilt wurden.

Langsam schiebt sich die ISLA SOLEDAD, ein Kühlcontainerschiff der Argentinischen Staatsreederei „E.L.M.A.“ elbabwärts Richtung Nordsee.Ich stehe an der Reling und blicke auf das gegenüberliegende Ufer, hier präsentiert sich Hamburg von seiner schönsten Seite. Vorbei an wunderschönen alten Villen, bewohnt von Reedern, Bankiers und alten Hamburger Kaufmannsfamilien.

Wer hier wohnt hat es geschafft!

Ich bilde die Vorhut eines Zweier - Teams, bestehend aus meinem Chef und mir.

Unsere Aufgabe ist es, das Rohrleitungssystem einer Tiefkühlanlage mit zwei Lagen Armaflex neu zu isolieren, da die Kompressoren gegen den Kälteverlust nicht mehr ankamen. Es bestand Gefahr für die in den Containern befindlichen Frischwaren.

Vor drei Stunden bin ich an Bord gekommen und habe eine erste Inspektion vorgenommen. Ich konnte mich von den „ Argentinischen Isolierkünsten“ überzeugen. Beeindruckt haben Sie mich allerdings nicht, sämtliche Rohrleitungen waren nach nur vier Jahren dermaßen vereist, dass ich einzelne Leitungen nicht mehr ausmachen konnte. Alles war zu einem riesigen Eisklumpen geworden.

Die Anfrage ging drei Wochen vorher im Büro der Hamburger Traditionsfirma Böttcher ein. Ich erspare mir hier einen ausführlichen Bericht über die Verhandlungen, da dieser den Rahmen sprengen würde. Nur soviel sei gesagt: Die Gespräche fanden in „Pidgin-Englisch“ statt, was zu erheblichen Missverständnissen führte.

Nach intensiven Verhandlungen war jedenfalls alles unter Dach und Fach und das Projekt war zur „Chefsache“ erklärt worden. Kurz darauf stand ich mit gepackter Tasche am Pier, leider vergeblich, denn das Schiff verspätete sich um einen Tag. Am nächsten Morgen ging es endlich los. Ich wurde in die Offiziersmesse gebeten, wo ein opulentes Frühstück auf mich wartete.

Nestor der Chefingenieur, der erste und der zweite Offizier leisteten mir Gesellschaft, alle sprachen passables Englisch.

Mir wurden fünf Männer von der Besatzung zugeteilt und wir begannen mit der Arbeit, jetzt überwog die Zeichensprache.



Schnell wurden zwei große Räume in der Nähe unseres Arbeitsplatzes gefunden, in jedem bauten wir einen Schneidetisch auf. Da wir überall „Tangobeleuchtung“ vorfanden, wurde zusätzliches Licht installiert. In den Niedergängen, wo sich die Rohrleitungen befanden wurden Leitergerüste aufgebaut. Dafür benötigten wir den halben Tag. In einer Stunde sollten wir in Bremen, der ersten Station unserer Reise eintreffen, hier sollten wir Material an Bord nehmen.

In Bremen angekommen, war aber weit und breit von Material nichts zu sehen, jetzt liefen zwischen Hamburg und Bremen die Telefone heiß.(Das waren die Auswirkungen der vielen Missverständnisse im Vorfeld).

Nach einiger Zeit jedoch kamen mehrere Gabelstapler mit der begehrten Ware. Die erste Lage 32mm stark kam in den einen Raum, die zweite, 19mm stark, in den anderen.

Mehrmals musste ich umpacken, die „Jungs“ hatten es wohl nicht richtig verstanden. Am nächsten Morgen verließen wir Bremen in Richtung Antwerpen, wo mein Chef zu mir stoßen sollte.

Da ich eine Liste mit den Rohrdimensionen besaß, aber die zu isolierenden Rohrleitungen noch vereist waren, machte ich mich mit Taster und einem Streifen Armaflex ausgerüstet auf den Weg in den Maschinenraum, um Maße zu nehmen, in der Hoffnung, die gleichen Durchmesser zu finden. Den ganzen Tag über schnitt ich die erste und zweite Lage zu, auch einige Bögen fertigte ich vor.

Die letzten Kühlcontainer wurden in Antwerpen entladen und die Kühlmaschinen konnten abgestellt werden. Jetzt sollte das Eis abtauen. Wieder stand ich an der Reling, diesmal jedoch, um auf meinen Chef Jens zu warten. ( Wir kennen uns seit zwanzig Jahren. ) Noch nie habe ich Ihn so sehnsüchtig erwartet wie Heute. Als er nach fünf Stunden immer noch nicht auftauchte, ging ich in meine Koje, in dieser Nacht hatte ich Alpträume.

Am nächsten Morgen stand Jens grinsend vor meiner Tür, irgendwann nachts sei er nach einer Odyssee (Gepäck weg) total entnervt hier angekommen. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es an die Arbeit, wo unsere „ Jungs „bereits in Schutzanzügen und Masken warteten.

Heute sollte der Abriss der alten Isolierung beginnen, was sich aber als schwieriges Unterfangen herausstellen sollte . Heißluftgeräte wurden herbei geschafft um das Abtauen zu beschleunigen.

Am nächsten Morgen glich der Niedergang einer Tropfsteinhöhle. Elf Rohrleitungen kamen zum Vorschein, oben waagerecht sechs Leitungen. unterhalb fünf. Zwischen den Rohren war ein Abstand von ca.130mm, also bei 50mm Isolierstärke ziemlich eng.

Jetzt hatten wir für unsere argentinischen Isolierkollegen etwas mehr Verständnis. Sie hatten einlagig mit 50mm allukaschierten Steinwollschalen gearbeitet. Eindeutig zu Lasten der Diffusionsdichte; wer ihnen diese Anweisung gegeben hatte, wussten wir allerdings nicht.

Die Rohrleitungen wurden mit einem doppelten Armaflexschutzanstrich versehen, durch die Warmluftgebläse trocknete dieser relativ schnell.

Jetzt konnte mit dem Kleben begonnen werden. Wir kamen zügig voran, mittlerweile sah der Fußboden durch den Abriss wie ein Schlachtfeld aus. Nach zwei Tagen bekamen wir einen ersten Überblick und stellten übereinstimmend fest, dass der Umfang an Arbeit nicht von uns beiden bewältigt werden konnte. Nestor wurde die Sachlage erklärt. Misstrauisch kontrollierte er die folgenden zwei Tage unser Pensum.

Danach sah auch er ein, dass eine zweite Isolierfirma hinzugezogen werden musste. Die letzte Möglichkeit vor der Atlantiküberquerung hierzu war Lissabon.

Den Golf von Biscaya, berühmt für seine schweren Stürme, hatten wir bei spiegelglatter See hinter uns gelassen.

In der portugiesischen Hauptstadt angekommen, machten wir uns landfein. Die dicken Pullover wurden gegen Hawaihemden eingetauscht. In einer einfachen Kneipe probierten wir reichlich die regionalen Spezialitäten. Wieder an Bord angekommen begrüßten uns zwei Kollegen von den Kapverdischen Inseln, beide arbeiten bei einer deutschen Isolierfirma mit Filiale in Lissabon. Einer der beiden hatte schon mal in Deutschland gearbeitet und sprach sogar etwas deutsch.

Jetzt zählten wir zwei Zweier - Teams.

Unsere neuen Freunde übernahmen den anderen Niedergang; gegen sechzehn Uhr fragte uns Nino wie lange wir denn so arbeiten würden. Wir sagten bis neun Uhr abends, worauf er um sechs müde wurde und in seine Koje ging. Am nächsten Morgen war Nino Seekrank. Elf Tage sollten es bis Rio sein, wir hatten noch ca.350m nur im Niedergang vor uns, zweilagig versteht sich!

Nino erholte sich langsam und auf beiden Seiten ging es flott voran, auch Nestors Laune wurde besser und er kündigte „ Asado“ ( vergleichbar mit unseren Grillfesten nur ohne Salat ) für den nächsten Abend an. Da das Argentinische Grundnahrungsmittel Fleisch ist, gab es davon reichlich, natürlich wurde auch Wein gereicht, wo durch sich die Sprachbarrieren verflüchtigten.

Jens entpuppte sich als guter Handwerker,( meine Hochachtung ) gemeinsam schafften wir die 350m in acht Tagen.

Mitten beim umrüsten ( die Wege waren zu weit geworden ) stand plötzlich der Kapitän mit seinen Offizieren neben uns. Sie wollten unsere Arbeit begutachten.

Sie beklopften und streichelten die Armaflexisolierung; wobei Sie wohlwollend nickten. Ich isolierte in ihrem Beisein ein paar Meter, wobei ich Ihnen die Vorzüge Armaflexs gegenüber herkömmlichen Isolierstoffen erklärte, Sie waren sehr beeindruckt, redeten jetzt spanisch und zeigten immer wieder auf „ ihren Müll „ der immer noch bergeweise zu ihren Füßen lag. Sie verabschiedeten sich freundlich.

Heute schmeckte uns das Mittagessen doppelt so gut.

Nun liefen die Leitungen zu einem Knäuel zusammen in den Maschinenraum; auch die Abstände zwischen den Rohren wurden immer enger. Außerdem herrschte ein Höllenlärm - warm war es auch noch, so um die 40 Grad.

Die „ gute Arbeit „ war vorbei! ( Jeder, der je auf einem Schiff gearbeitet hat, weiß wovon ich rede. )

Nun musste die „ Trickkiste „ geöffnet werden. Eine Leitung nach der anderen musste heraus gearbeitet werden,
zwischendurch mussten wir immer wieder an Deck, weil die Hitze unerträglich wurde.

Gerne wären wir in Rio an Land gegangen, aber da das Schiff erst spät nachts anlegte und wir am nächsten Tag wieder arbeiten mussten, wurde aus dem Vergnügen nichts. Da sich auf dem Achterdeck ein mit Meerwasser gefüllter Schwimmingpool befand, war es nicht ganz so tragisch. ( Caipirinha schmeckt auch am Pool. )

Völlig überraschend teilte uns Nestor mit, dass in Buenos Aires wieder Kühlcontainer an Bord genommen werden sollten - also musste die Anlage wieder in Betrieb genommen werden. Das bedeutete für uns Tag-Nacht-Tag arbeiten um die Arbeit fertig zu stellen, wir hatten noch einiges zu tun.

Nach getaner Arbeit waren alle fix und fertig, aber es war geschafft! Alle waren glücklich, nur Nino hatte Heimweh.

ENDE

Text: Walter Collin